Neulich im Zoom-Call erzählte mir eine Kundin von ihrem letzten Gespräch mit ihrem Vorgesetzten. Für sie stehen große Veränderungen an, zu denen sie durchaus gemischte Gefühle hat. Nach ihrer Erzählung fragte sie mich, ob sie denn richtig reagiert hätte, denn in solchen Situationen reagiere sie immer so emotional. Sie möchte nicht den Eindruck erwecken immer sofort gegen alles Neue zu sein. Zudem hat sie Angst, dass ihre Aussagen an Kraft verloren haben, weil sie so aufgeregt war.
Zuerst fällt mir auf, wenn Menschen von emotionalen Situationen und Erlebnissen sprechen, meinen sie meistens Erlebnisse, in denen sie wütend oder traurig waren. Sie beschreiben oft Konflikte oder Situationen, in denen sie überfordert waren und meistens schämen sie sich im Nachhinein für den Gefühlsausbruch.
Emotionale Situationen sind für mich vor allem auch Erlebnisse der Freude und der Aufregung. Eine gelungene Präsentation, ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt können genauso zu einem Gefühlsausbruch führen.
In beiden Varianten scheint der Business Knigge aber nur die angezogene Handbremse vorzusehen.
Ordnen wir das Thema doch erst einmal ein.
Im Allgemeinen gibt es verschiedene Sichtweisen auf das Thema „Emotionen am Arbeitsplatz“.
Allem voran sind Emotionen tägliche Begleiter unsers Denkens und Handelns. Sie bilden die Grundlage des Erlebens und beziehen sich auf sämtliche Lebenssphären. So beschreibt es der Emotionspsychologe Hans Goller (Goller 1992,11).
Im positiven Sinne werden Emotionen also als wesentliche Bestandteile des miteinander Arbeitens gesehen. Sie können Leidenschaft entfachen, Teamarbeit fördern, Innovationen vorantreiben und die Arbeitsmoral verbessern. Positive Emotionen wie Freude, Stolz, Aufregung und Zufriedenheit können ein positives Arbeitsumfeld schaffen und die Zusammenarbeit, Kreativität und Produktivität steigern.
Die kritische Perspektive hebt hervor, wie unkontrollierte negative Emotionen zu Konflikten, erhöhtem Stress und geringerer Produktivität führen können. Chronisch negative Emotionen können Burnout, sinkende Motivation und schlechte Leistung verursachen.
Der ganzheitliche Ansatz umfasst nicht nur das Kontrollieren negativer Emotionen, sondern auch wie positive Emotionen kanalisiert werden, um ein engagierteres und produktiveres Arbeitsumfeld zu schaffen. Emotionale Intelligenz wird als entscheidende Fähigkeit am modernen Arbeitsplatz betrachtet.
Was ist Emotionale Intelligenz?
Emotionale Intelligenz (EQ) bezeichnet die Fähigkeit, sowohl eigene als auch fremde Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen damit umzugehen.
Dieses Konzept umfasst mehrere Kernkompetenzen:
Selbstwahrnehmung: Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu erkennen und zu benennen.
Selbstmanagement: Die Kontrolle und Regulierung der eigenen Emotionen, besonders in Stresssituationen.
Soziales Bewusstsein: Das Vermögen, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle zu verstehen (Empathie).
Beziehungsmanagement: Die Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und positive Beziehungen aufzubauen.
Das Konzept der Emotionalen Intelligenz klingt irgendwie sehr theoretisch. Gut, dass sie eine Fähigkeit ist, die wir erlernen können.
Warum explodieren wir eigentlich?
Nehmen wir nun nochmal die Gefühlsausbrüche in den Blick. Wie der Begriff schon zeigt, brechen Gefühle plötzlich und ungewollt aus, fast explosionsartig. Aus der Physik kennen wir, dass Explosionen durch plötzlich ansteigenden Druck entstehen. Beispielsweise die Dampfexplosion, ausgelöst durch den Überdruck im Kessel.
Auch emotionale Explosionen entstehen durch Überdruck. Er entsteht, weil wir uns verbieten zu fühlen. Wir unterdrücken die Wut, Trauer und Angst, weil wir glauben, dass das schlecht, falsch und schwach ist. Ganz besonders im Arbeitsalltag. Nicht selten haben wir noch die Sprüche im Ohr „Wer wütend ist, hat schon verloren.“ oder „Gefühle haben im Geschäft nichts zu suchen.“.
Nun wissen wir ja, dass Emotionen unmittelbar mit uns verbunden sind. Sie machen unser Erleben aus. Wenn wir uns also verbieten zu fühlen, leben wir nicht.
Was können wir nun tun, wenn wir in eine Situation kommen, in der wir merken, dass da was hochkommt?
Wir können für Entspannung sorgen. Neben kleinen Tricks, wie tief Luft holen, gähnen und sich strecken, hilft in einem Gespräch die aufkommenden Gefühle anzusprechen.
- „Ich merke gerade, dass ich ungeduldig werde, weil ich den Eindruck habe, dass wir uns im Kreis drehen. Können wir eine Pause machen und in 10 Minuten weitersprechen?
- Ich fühle mich sehr aufgewühlt und brauche Abstand. Können wir das Gespräch unterbrechen?
- Ich fühle mich hier im Raum sehr eingeengt. Um dir weiterhin konstruktive Antworten geben zu können, würde ich das Gespräch gerne im Gehen fortsetzen.
Mit unseren Gefühlen im Einklang
Der Ausdruck von Friedrich Nietzsche „In der Ruhe liegt die Kraft“ drückt aus, was die Forschung um unser Nervensystem belegt. Ein permanent unter Spannung stehender Körper kommt nicht zur Ruhe und wird krank. Anspannung und Stress werden durch den Sympathikus gesteuert, ein Teil des vegetativen Nervensystems. Der Gegenspieler, der Parasympathikus sorgt für Entspannung und Regeneration. Eine besondere Rolle spielt dabei der Vagus-Nerv. Er trägt maßgeblich zu unserem sozialen Kommunikationssystem bei und sorgt für Zugewandtheit und für das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ist die Funktion vom Vagus-Nerv gestört, können wir keine Verbindung mehr zu anderen Menschen aufbauen, wir sind in einer Überreizung gefangen.
Eine kleine Übung zur Stimulierung des Vagus-Nerv (Diese Übung ist auch im Sitzen oder Stehen möglich)
- Legen Sie sich bequem auf den Boden.
- Falten Sie Ihre Hände hinter den Kopf, sodass er gut in der Handmulde liegt.
- Richten Sie Ihren Kopf und Blick gerade aus.
- Nun schauen Sie nur mit den Augen nach rechts. So lange bis sie schlucken, gähnen oder seufzen. Das ist das Zeichen, dass sich Ihr Nervensystem entspannt. Das passiert in der Regel nach 30-60 sec.
- Richten Sie Ihren Blick nun wieder gerade aus
- Wenden Sie anschließend Ihren Blick nach links. Wichtig: Der Kopf bewegt sich nicht. Sie halten auch hier den Blick so lange bis sie schlucken, gähnen oder seufzen
Damit ist die Übung beendet. Setzen Sie sich gerne wieder auf. Wie ist es Ihnen ergangen? Hat sich Ihre Atmung verändert oder die Beweglichkeit des Kopfes? Was fällt Ihnen noch auf?
Anmerkung: Wenn Ihnen schwindelig wird, liegt es daran, dass Sie sich im Liegen entspannt haben und der Blutdruck gesunken ist. Nach ein bis zwei Minuten sollte sich das reguliert haben.
Zu diesem Thema biete ich am 15.01.25 auch einen Impuls an. Wenn Sie mögen, finden Sie nähere Informationen unter: https://www.bvmw.de/de/unternehmertum/veranstaltungen/in-der-ruhe-liegt-die-kraft-auch-fuer-unternehmer-innen
Und jetzt zu Ihnen. Wie gehen Sie mit emotionalen Situationen um, die Sie anstrengen und in Stress versetzten? Erzählen Sie mir davon. Danach geht es Ihnen sicher besser. Ich freue mich auf Ihre Nachricht an anjapeters@diegoldader.de.